Simca (Société Industrielle de Mécanique et Carrosserie Automobile) wurde vom Piemonteser
Henri-Théodore Pigozzi gegründet. Dieser war seit 1922 mit Agnelli (Fiat) bekannt und begann als Schrotthändler Schrott- und Unfallwagen nach Turin zum Recycling zu schicken. Zwei Jahre später war er bereits Generalimporteur für Fiat in Frankreich. Weitere zwei Jahre später, also 1926 vertrieb er die italienischen Automobile unter der Firmenbezeichnung SAFAF (Société Anonyme Français des Automobiles FIAT). Trotz Import-Beschränkungen verkaufte er gut, denn er deklarierte die Fiat als französische Produktion, ohne eine einzige Halle oder auch nur eine Maschine zu besitzen. Verschiedene Werkstätten montierten französische Teile und die Fahrzeuge waren dann offiziell im Hauptsitz Suresnes entstanden. 1932 kündigte er z.B. den in Turin vorgestellten neuen Balilla als "6 CV Fiat francaise" und als "entierement construite en France" an. Zwischen 1928 und 1934 montierte Pigozzi knapp 30'000 Fahrzeuge und verkaufte sie in Frankreich. Aber das waren sicher nur die Vorboten seiner eigentlichen Pläne.
1934 übernahm Pigozzi die Donnet-Werke in Nanterre und gründete am 2.11.1934 die S.I.M.C.A.
Der Gesellschafts-Vertrag hatte 99 Jahre Laufzeit. (Wie hoch der Fiat-Anteil an Simca war, ist nicht klar. Es findet sich nirgends eine klare Aussage, nur dass Pigozzi alleine den Kaufpreis nicht aufbringen konnte, daher kam Fiat mit ins Boot. Dass Fiat nicht wenig Anteile hatte, ergibt sich daraus, dass Chrysler nach dem Kauf der letzten Fiat-Anteile 1967, fast Alleineigentümer der Simca war.)
Da die Fabrik zuerst von Grund auf erneuert werden musste, verfügte Pigozzi von Anfang an über modernste Fertigungsanlagen. Auch wurde bereits damals auf Qualitätssicherung geachtet. Jeder Schritt der Produktion wurde untersucht, um die Qualität und Effizient der Produktion zu steigern.
1935 begann die Produktion von Fiat-Fahrzeugen in Nanterre. Mitte des Jahres lief die Produktion bereits in ausreichender Stückzahl mit den Typen Simca-Fiat 6CV und Simca-Fiat 11 CV.
Ab 1936 baute Simca auch den Fiat 500 Topolino als Simca 5 und ab 1937 den Fiat Balilla 1100 als Simca 8.
Simca hatte nach 1945 eine schlagkräftige eigene Entwicklungsabteilung (mit Fiat-Personal), die z.B. mit dem Simca 6 (Vorserie 1947) den Anstoss für die formale Änderung des Fiat Topolino 500 C gab, und den Simca 8/1200 (Fiat 1100) schon acht Jahre vor Fiat mit 1221 ccm baute. Premiere des 1200 war eigentlich schon 1948, als Simca diesen Motor in dem von Battista "Pinin" Farina (pininfarina) entworfenen und in Zusammenarbeit mit Facel gebauten Sportcabrio Simca 8 Sport präsentierte.
1949 begann dieselbe Abteilung, unter Anleihen an die Fiat 1400-Konstruktion, eine moderne, selbsttragende Karosserie für den Nachfolger des Simca 8 zu entwickeln, welche 1951 als Simca Aronde (Simca 9) vorgestellt wurde. Da an dieser Entwicklung Fiat quasi beteiligt war, beeinflusste diese wiederum Technik und Aussehen des 1953 vorgestellten Fiat 1100 N ("nuova").
Auch bei der Entwicklung der Vedette '56, Ariane und Chambord war Fiat mit dabei. Die Entscheidung, das Ford-Werk in Poissy zu kaufen (1954), in dem die ursprüngliche, runde Ford V8-Vedette hergestellt wurde, war eine Fiat-Entscheidung und es war danach einige Zeit im Gespräch, diesen V8 auch im Fiat 1800/2300 einzubauen. Umgekehrt erhielt die erste Simca Vedette 1956 eine Karosserie, die aus der Formentwicklung des Fiat 1800 (Fiat Typ 111) entstanden war.
Simca-Fahrzeuge (Simca 8 und Aronde) wurden Anfang der Fünfziger Jahre in diversen Ländern über Fiat-Händler verkauft.
Um 1958, als Simca wieder einen kleineren Wagen ins Programm nehmen wollte, war wieder Fiat Pate des Kindes. Der Simca 1000 war eine Weiterentwicklung eines bei Fiat geplanten und verworfenen Modells, das erst später in kleinerer Form als Fiat 850 auf den Markt kam. Auch der Motor des Simca 1000 basiert auf einer Fiat-Entwicklung. Deshalb nahm Abarth diesen Simca Motor als Basis für viele sehr erfolgreiche Autos (Simca-Abarth 1300 OT u.a).
Der ebenfalls Anfangs der 60er Jahre vorgestellte Simca 1300/1500 war wieder ein gemeinsam mit Fiat entwickeltes Modell, welches technisch sehr viel Ähnlichkeit mit den gleichzeitig entwickelten Fiat 1300/1500 hatte.
Dante Giacosa, der Chefentwickler bei Fiat, hätte aus wirtschaftlichen Gründen gerne eine größere Teilegleichheit bei den Simca- und Fiat-Modellen gesehen, aber die Fiat-Direktion war dagegen. Wahrscheinlich, weil Sie bereits mit Chrysler in Verhandlung standen, ihre Anteile an Simca (Pkw-Bereich) ganz abzugeben.
Simca begann schon 1958 eine Zusammenarbeit mit Chrysler, die ihrerseits laufend Simca-Anteile kaufte.
Anfangs der 60er Jahre war Simca die Nr. 4 auf dem französischen Markt und hatte neben den Werken in Frankreich auch Montagefabriken in Nord- und Lateinamerika, Südafrika, Portugal und Asien.
1962 produzierte Simca 252'802 Fahrzeuge (Peugeot: 258'870). Es war das beste Jahr der Firmengeschichte.
Ab 1963 hatte Chrysler die Kontrolle und 1967 erwarb Chrysler alle restlichen Fiat-Anteile und war damit im Besitz von Simca. Im gleichen Jahr ging auch noch Matra (Automobile) an "Chrysler France", wie Simca ab 1970 hiess.
Der kurz vorher vorgestellte Simca 1100 war der letzte Simca, der in Zusammenarbeit mit Fiat entstanden war. Alle weiteren Modelle (Chrysler 160 usw.) waren dann reine Eigenentwicklungen, bzw. von Chrysler (Chrysler GB=Sunbeam/Hillman/Singer) beeinflusst.
Der Lkw-Bereich von Simca (durch die Ford-Übernahme 1955 entstanden) war schon vorher mit Unic (seit 1949 Aktienmehrheit bei Simca/Fiat) vereint worden. Diesen Bereich (Unic) hatte Fiat bereits 1966 voll übernommen und gliederte ihn später auch in die mit Magirus Deutz gegründete Iveco ein. Iveco ist heute das Dach (und Firmenname) für die Lkw-Bereiche von Magirus-Deutz, Fiat, OM, Lancia, SPA, und Unic, sowie die 1987 hinzugekommene Lkw-Sparte Ford Cargo (GB) und (seit 1990) ENASA/Pegaso (E).
Im Rahmen der Europa-Initiative erwarb Chrysler Anfang der Siebziger Jahre auch die englische Rootes-Gruppe (Hillman, Sunbeam, Singer, Commer, Karrier, Barreiros/E u.a.), was zu teilweise gleichartigen Fahrzeugen führte (z.B. Simca-Chrysler 160 und Sunbeam Rapier, Hillman, Singer).
PSA / Talbot
1978 beendete Chrysler seinen Europa-Trip und „Chrysler France“ wurde von PSA (Peugeot/Citroën) übernommen.
Der Markenname Simca blieb noch bis 1981 erhalten. Anschliessend musste der Name gewechselt werden. Man entschloss sich, die Marke Talbot, welche 1959 durch finanzielle Probleme von Talbot-Lago durch Simca aufgekauft wurde, wiederauferstehen zu lassen. Man kam aus marktstrategischen Überlegungen zu diesem Entscheid. Die Mehrheit der Franzosen glaubte, Talbot sei eine französische Marke. Die Mehrheit der Briten glaubte, die Marke sei eine britische Marke (Talbot-Sunbeam).
Die Modelle Hunter und 1000 wurden auf Grund ihres Alters nicht weiter gepflegt. Der Hunter wurde in den Iran verkauft, wo er von der Fa. Paykan weitergebaut wurde. Die Produktion des 1000er wurde 1979 eingestellt. Als Ersatz war der vom Avenger abgeleitete, 1977 erschienene Sunbeam vorgesehen. Chrysler 180/2 Litre (1980) und SIMCA 1100 (1982) wurden wenige Jahre nach der Übernahme eingestellt.
Von den ehemaligen Chrysler-Modellen blieben nur noch Sunbeam, Avenger (beide hatten nur in U.K. gute Verkaufszahlen), 1510/Alpine und Horizon im Programm. Dazu kamen noch der Matra Rancho (bis 1984) sowie der 1980 eingeführte Nachfolger des Matra Bagheera, der Murena (ebenfalls bis 1984).
1980 wurde die Horizon-Baureihe um eine Luxusversion (SX/GLS) erweitert. Der Wagen hatte einen 1442 ccm Motor, eine 3-Gang-Automatik, einen Trip-Computer, elektrische Fensterheber und eine Waschanlage für die Frontscheinwerfer. Daneben gab es noch das Einsteiger Modell 1,1 LS, den 1,3 als LS und GL sowie den 1,5 GL. Sportversionen des Horizons a la GTI hat es nie geben.
Sportliche Modelle blieben der Marke Sunbeam vorbehalten (z.B. Sunbeam Lotus).
Infolge der Übernahme von Chrysler France durch PSA kam der Horizon als erster Wagen des PSA-Konzerns mit dem neuen XUD Diesel-Motor heraus. Zu Chrysler-Zeiten stand kein Diesel-Modell in der Fahrzeugpalette. Der Motor hatte einen Hubraum von 1,9 Liter und entwickelte 65 PS. Diese Motorenreihe ist seit ihrer Einführung über 7,5 Mio. mal verbaut worden. Mit der Einführung der HDI-Motoren im Jahr 1999/2000 wurden die Motoren dieser Baureihe in den aktuellen Peugeot und Citroen-Modellen nach und nach ersetzt.
Ebenfalls 1980 wurde der SIMCA 1307/1308 einer Modellpflege unterzogen und in 1510 umbenannt. Der Alpine behielt seinen Namen. Gleichzeitig kam eine Limousinenversion des 1510 heraus, der Solara.
1983 erhielt der Horizon ein Facelift (Serie 2) um die fallenden Verkaufszahlen zu stoppen. Der Wagen erhielt u.a. ein 5-Gang-Getriebe und es wurden einige Sondermodelle herausgebracht. Das Facelift brachte aber nicht die erhoffte Wende. Die Produktion des Horizon wurde 1986 eingestellt und Lagerfahrzeuge bis 1987 verkauft.
In den USA blieb der Wagen bis 1990 in Produktion. Er hatte dort sowohl die Rolle eines sportlichen Kompaktwagens (diese Rolle kam in Europa dem Sunbeam zu), als auch die eines preisgünstigen Wagens (diese Nische war in Europa durch Lada und Skoda besetzt).
Mit Ausnahme des PSA-Dieselmotors gab es keinerlei Weiterentwicklungen des bestehenden Fahrzeugangebots. 1981 wurde das Werk Linwood (Schottland) geschlossen und die Produktion der Modelle Avenger und Sunbeam eingestellt. Die Presswerkzeuge für den Avenger wurden von VW of Argentinia aufgekauft, wo der Avenger für den südamerikanischen Markt bis 1993 weitergebaut wurde.
In den verbliebenen Werken in U.K. (Coventry) und Frankreich wurden die Modelle 1510/Alpine, Solara und Horizon produziert.
1982 kam als erstes neues Modell nach der Übernahme der Talbot Samba heraus, der auf dem etwas größeren Peugeot 104 basierte. Der Samba war ein frontgetriebener, 3-Türiger Kleinwagen. 1984 wurde die Samba-Modellreihe um ein Cabrio und eine Rallye-Version erweitert. Der Rallye hatte einen 1360 ccm Motor mit 80 PS und wurde für die Homolegation des Group A Rallye-Wagens in 600 Exemplaren produziert. Der Rallye trat in die Nachfolge der Rallye-Fahrzeuge von ehemals Chrysler an, dessen britischer Zweig mit dem Avenger und später mit dem Sunbeam (mit Lotus-Motor) Rallye-Sport betrieb. Die Peugeot Sport-Abteilung hiess auch noch nach dem Ende der Marke Talbot „Peugeot-Talbot Sport“.
Die zweite Neuheit unter Peugeot-Herrschaft war der Tagora. Die Entwicklung für einen Nachfolger des 180/2 Litre war schon unter Chrysler begonnen worden (Codename C9). Der Wagen sollte einen auf 2,2 Liter vergrößerten Motor des Chrysler 180/2 Litre erhalten sowie eine futuristische Karosserie. Peugeot stoppte die Entwicklung dieses Modells und liess den Tagora stattdessen auf Basis des Peugeot 604 entwickeln. Das Styling des Wagens war alles andere als futuristisch. Von dem ursprünglichen C9-Projekt wurde nur der 2,2 Liter Motor übernommen, der 2,7 Liter V6 stammte aus der Coproduktion von Peugeot, Renault und Volvo. Daneben gab es noch einen 2,3 Liter Turbodiesel. Der Markt für Fahrzeuge dieser Größe war zum Zeitpunkt des Erscheinens des Wagens nicht sonderlich gross, sodass bis zu seinem Produktionsende 1984 nur wenige verkauft wurden. Mit dem Ende der Produktion von Alpine (1510), Horizon und Samba (1986) kam auch das Ende der Marke Talbot. Der Nachfolger des Horizon (Talbot Arizona) kam als Peugeot 309 auf den Markt (Produktion 1985 bis 1993). Als erster Peugeot wurde der 309 in U.K. (Coventry) produziert, später die Modelle 306 und 406.
Die ehemaligen SIMCA bzw. Rootes Produktionsstätten in Poissy and Ryton-on-Dunsmore werden unter PSA Regie weitergenutzt.
Der Niedergang
Mögliche Gründe für den Niedergang von Chrysler France gibt es viele. Einer war sicher die geringe Fertigungsqualität. An der Technik lag es nicht. Im Gegenteil, Chrysler war in manchem der Konkurrenz voraus. Wie in der Transistorzündung, welche 1971 für die NASCAR-Rennserie entwickelt und in allen Chrysler France Fahrzeugen eingebaut wurde.
Dazu kam noch, dass die 70er Jahre keine einfache Zeit für die Automobilbranche war. Chrysler USA stand 1978 kurz vor dem Zusammenbruch und konnte nur mit staatlicher Hilfe überleben. Die Zusammenführung der Rootes Group und Simca barg auch ihre Probleme. Zwar traten SIMCA und Hillmann auf dem Markt nicht als Konkurrenten auf, da ihre Verkaufsgebiete regional unterschiedlich waren, jedoch bedingten unterschiedliche Ansichten manche Doppelentwicklung (z.B. 1307/1308/Alpine-Projekt). So wurde eine heckgetriebene (für den britischen Markt) und eine frontgetriebene Version (für den kontinental-europäischen Markt) entwickelt. Die Entscheidung warum nicht der größere 1307/1308 auf dem amerikanischen Markt angeboten wurde, sondern der kompakte Horizon, ist unklar. Gleiches gilt für den 180/2 Litre, der mit einem 6 Zylinder-Motor als Centura in Australien angeboten wurde, in den USA aber nicht.